Kapitel 1

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Frühgeschichte und Stadtwerdung

Kapitel I Geschichte der Stadt Erfurt (30.000 v. Chr. bis 12. Jh.)


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Die natürlichen Gegebenheiten, geschützte Lage in einer Mulde, die Nähe des Flusses Gera mit seinen seichten (für die Stadt namensgebenden) Furten und fruchtbare Schwarzerdeböden, haben Erfurt seit der Altsteinzeit zu einem Siedlungsschwerpunkt werden lassen. Martin Luther formulierte es in seiner bildhaften Sprache später so: "Erfurt steht am besten Orte, ist eine Schmalzgrube. Da müßte eine Stadt stehen, wenn sie gleich wegbrennete." Der älteste archäologische Fund, ein Faustkeil aus Feuerstein, wird auf 30.000 v. Chr. datiert. Den entscheidenden Schritt zur dauerhaften Ansiedlung im späteren Stadtgebiet stellte die "Neolithische (Jungsteinzeitliche) Revolution" dar. Der Übergang vom Jäger und Sammler-Leben zu Ackerbau und Viehzucht setzte im Raum Erfurt um 5000 v. Chr. ein.

Die auf die Bronzezeit (2100-750 v.Chr.) folgende Eisenzeit (800 v.Chr.-0) sah die in West- und Südeuropa verbreiteten Kelten als Kulturträger. Sie wurden in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. von den germanischen Hermunduren abgelöst. Im Zusammenhang mit der Herausbildung der germanischen Großstämme seit dem 3. Jh. gingen diese schließlich mit den eingewanderten Chatten und Teilen der aus Norden stammenden Angeln und Warnen im Stamm der Thüringer auf. Neben der germanischen Bevölkerung gehörten die Slawen zu den ethnischen Gruppierungen, die in den Thüringern aufgingen. Im Königreich der Thüringer (5./6. Jh.), unter den Franken sowie in den Anfängen der deutschen Geschichte im 9./10. Jh. kann man anhand archäologischer Funde und früher Urkunden bereits eine herausgehobene Stellung Erfurts erkennen.

Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt fällt in das Jahr 742. Es handelt sich hierbei um einen Brief des Missionars Bonifatius an Papst Zacharias II. in Rom. Seit 721 mit der Mission in Ostfranken, Hessen und Thüringen betraut, schlug er dem Papst die Einsetzung dreier Bischöfe für dieses Gebiet vor, darunter Erfurt ("erphesfurt") für Thüringen. Dies unterstreicht die frühe herausragende Stellung, auch wenn das Bistum wenige Jahre später dem Erzbistum Mainz einverleibt wurde. Erfurt entwickelte sich dennoch zum kirchlichen Zentrum Thüringens. In diese Zeit geht auch der Aufstieg zum Handelszentrum zurück, begünstigt durch die Lage an der Kreuzung zweier wichtiger mittelalterlicher Fernhandelsstraßen, der Via regia (Königstraße oder Hohe Straße) in O-W-Richtung von Paris bis Kiew und der N-S-Verbindung von Skandinavien bis Norditalien. Greifbar wird er erstmals in einem Kapitular Karls des Großen aus dem Jahre 805, das Erfurt zum Grenzhandelsplatz mit den Slawen bestimmte.

Im 10. Jahrhundert gehörte Erfurt noch zum Königsgut, wie u.a. eine Reihe wichtiger Hoftage belegen. Ab Anfang des 11. Jahrhunderts gelang es jedoch dem Mainzer Erzbischof, sich zum Stadtherrn aufzuschwingen. Trotz der Mainzer Stadtherrschaft nahm aber auch die kaiserliche Zentralgewalt weiterhin in Erfurt ihre Rechte wahr. Im Königskloster auf dem Petersberg residierten Salier, Staufer und Habsburger. 1181 musste sich der Welfe Heinrich der Löwe in der Peterskirche vor dem staufischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa demütigen. Traurig-skurrile Berühmtheit erlangte der Erfurter Latrinensturz von 1184 mit König Heinrich VI. Bis Ende des 11. Jahrhunderts lebte noch ein großer Teil der Erfurter Bevölkerung in feudaler Abhängigkeit. Dann begann der Erzbischof damit, den meisten städtischen Grund und Boden gegen Zahlung eines jährlichen "Freizinses" zu verteilen. Der Besitz eines solchen "Freigutes" enthob die Bürger von Verpflichtungen gegenüber dem Stadtherrn und bildete die Basis für die neue Rechtsgemeinschaft der Stadtbürger. Grundlage für deren wachsenden Wohlstand stellte der weitere Aufschwung von Nah- und Fernhandel dar.

Auf die totale Zerstörung durch König Heinrich IV. 1080 im Zusammenhang mit dem Investiturstreit folgte ein rasches Aufblühen der Stadt. 1168/1169 legte man anstelle mehrfach geschleifter Vorgängerbauten (seit ca. 1133) eine dauerhafte steinerne Stadtmauer an, welche Petersberg, Domhügel und die Stadtteile beiderseits der Gera einschloss. Das 12. Jahrhundert stellte auch einen ersten Höhepunkt von Kunst und Architektur dar. An Stelle eines frühen Vorgängerbaues entstand 1154-1182 der romanische Dom St. Marien. Auf dem Petersberg befand sich vermutlich bereits seit dem 8. Jahrhundert ein Kloster. 1060 hatte Erzbischof Siegfried I. das dortige Chorherrenstift in ein Benediktinerkloster umgewandelt, das Peterskloster. 1103-1147 wurde die romanische Peterskirche errichtet, die über Jahrhunderte gemeinsam mit dem Dom die Stadtkrone bildete. Eine Reihe weiterer Kirchen- und Klostergründungen (Augustiner-Chorherrenstift [Regler]) 1131, Schottenkloster nach 1130) folgte, die der mauerumwehrten Stadt am Ende des 12. Jahrhunderts bereits ein imposantes Aussehen verliehen.

(Dr. Steffen Raßloff)


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