Historisches Erfurt 2020: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:BrandtFenster1970.jpg|300px|right]]Wenn es ein historisches Ereignis von internationaler Tragweite in Erfurt gibt, dann ist es das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen vom 19. März 1970. Die ganze Welt schaute an jenem kalten Spätwintertag gespannt in die DDR-Bezirksstadt. 350 Journalisten aus 35 Ländern hatten sich akkreditieren lassen, zahlreiche Fernsehteams lauerten auf spektakuläre Bilder – und wurden nicht enttäuscht. Trotz akribischer Vorbereitungen von Stasi und Polizei erstürmen rund 8000 Menschen den abgesperrten Bahnhofsvorplatz, als die Delegationen mit DDR-Ministerpräsident Willi Stoph und Bundeskanzler Willy Brandt um 9.37 Uhr den Bahnhof verlassen. Zunächst skandiert die Menge „Willy, Willy“. Nachdem sich die Regierungschefs den Weg ins Interhotel „Erfurter Hof“ gebahnt haben, fordert man unmissverständlich: „Willy Brandt ans Fenster!“ Als sich der populäre Kanzler am Hotelfenster zeigt, brandet tosender Jubel auf (Foto: Stadtarchiv Erfurt).  
[[Datei:BrandtFenster1970.jpg|310px|right]]Wenn es ein historisches Ereignis von internationaler Tragweite in Erfurt gibt, dann ist es das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen vom 19. März 1970. Die ganze Welt schaute an jenem kalten Spätwintertag gespannt in die DDR-Bezirksstadt. 350 Journalisten aus 35 Ländern hatten sich akkreditieren lassen, zahlreiche Fernsehteams lauerten auf spektakuläre Bilder – und wurden nicht enttäuscht. Trotz akribischer Vorbereitungen von Stasi und Polizei erstürmen rund 8000 Menschen den abgesperrten Bahnhofsvorplatz, als die Delegationen mit DDR-Ministerpräsident Willi Stoph und Bundeskanzler Willy Brandt um 9.37 Uhr den Bahnhof verlassen. Zunächst skandiert die Menge „Willy, Willy“. Nachdem sich die Regierungschefs den Weg ins Interhotel „Erfurter Hof“ gebahnt haben, fordert man unmissverständlich: „Willy Brandt ans Fenster!“ Als sich der populäre Kanzler am Hotelfenster zeigt, brandet tosender Jubel auf (Foto: Stadtarchiv Erfurt).  


Einig war man sich zumindest im Westen in der positiven Bewertung jener einzigartigen Vorgänge: „Daß die Deutschen weiterhin eine Nation sind, braucht nach dem Erfurter Treffen nicht mehr postuliert zu werden“, so DIE ZEIT. Der Gipfel bildete den Startschuss für den Dialog der beiden deutschen Staaten im Zeitalter der Entspannung. Zugleich räumt man dem von Willy Brandt 1970 begonnenen „Wandel durch Annäherung“ einen hohen Stellenwert für die friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung 1989/90 ein. Als der „Erfurter Hof“ 2007 als Geschäftshaus wiedereröffnete, sollte hieran erinnert werden. Zunächst kam es allerdings zum heftigen „Erfurter Denkmalstreit“ um den Siegerentwurf mit der Leuchtschrift „Willy komm ans Fenster“. Als Kompromiss leuchtet seit 2009 der authentische Ruf „Willy Brandt ans Fenster“ auf dem Dach. Zum 50. Jubiläum wird sich im März das Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ mit dem Thema befassen, der Geschichtsverein widmet ihm seine Fachtagung am 18. April. Bereits 2007 hat der Verein den Sammelband „‚Willy Brandt ans Fenster!‘ Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des ‚Erfurter Hofes‘“ herausgegeben. Dieser ist noch im Stadtmuseum für 9,95 Euro erhältlich.  
Einig war man sich zumindest im Westen in der positiven Bewertung jener einzigartigen Vorgänge: „Daß die Deutschen weiterhin eine Nation sind, braucht nach dem Erfurter Treffen nicht mehr postuliert zu werden“, so DIE ZEIT. Der Gipfel bildete den Startschuss für den Dialog der beiden deutschen Staaten im Zeitalter der Entspannung. Zugleich räumt man dem von Willy Brandt 1970 begonnenen „Wandel durch Annäherung“ einen hohen Stellenwert für die friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung 1989/90 ein. Als der „Erfurter Hof“ 2007 als Geschäftshaus wiedereröffnete, sollte hieran erinnert werden. Zunächst kam es allerdings zum heftigen „Erfurter Denkmalstreit“ um den Siegerentwurf mit der Leuchtschrift „Willy komm ans Fenster“. Als Kompromiss leuchtet seit 2009 der authentische Ruf „Willy Brandt ans Fenster“ auf dem Dach. Zum 50. Jubiläum wird sich im März das Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ mit dem Thema befassen, der Geschichtsverein widmet ihm seine Fachtagung am 18. April. Bereits 2007 hat der Verein den Sammelband „‚Willy Brandt ans Fenster!‘ Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des ‚Erfurter Hofes‘“ herausgegeben. Dieser ist noch im Stadtmuseum für 9,95 Euro erhältlich.  
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Das Jubiläum wird einiges an Veranstaltungen und Publikationen mit sich bringen. So spricht Historiker Steffen Raßloff am 30. März im Rathausfestsaal in einer Gemeinschaftsveranstaltung von Erfurter Geschichtsverein und Historischer Kommission für Thüringen über „100 Jahre Freistaat Thüringen“ und präsentiert die Neuauflage seiner „Geschichte Thüringens“ in der Beck-Wissen-Reihe. Mit einer Sonderausstellung widmet sich ab Mai das Stadtmuseum dem 250. Geburtstag Johann Bartholomäus Trommsdorffs. Dieser gilt als einer der Begründer der modernen Pharmazie. Dabei blieb der renommierte Wissenschaftler und engagierte Bürger ein Leben lang seiner Vaterstadt Erfurt treu. Ihm gehörte die Apotheke „Zum Schwanen-Ring“ am Anger, an deren Stelle sich heute die Hauptpost befindet. Hieran erinnert seit 2007 ein Bronzemedaillon mit dem Portrait Trommsdorffs, darunter eine ältere Gedenktafel. Bereits seit 1902 mündet die vormalige Mariengasse als Trommsdorffstraße auf den Anger.  
Das Jubiläum wird einiges an Veranstaltungen und Publikationen mit sich bringen. So spricht Historiker Steffen Raßloff am 30. März im Rathausfestsaal in einer Gemeinschaftsveranstaltung von Erfurter Geschichtsverein und Historischer Kommission für Thüringen über „100 Jahre Freistaat Thüringen“ und präsentiert die Neuauflage seiner „Geschichte Thüringens“ in der Beck-Wissen-Reihe. Mit einer Sonderausstellung widmet sich ab Mai das Stadtmuseum dem 250. Geburtstag Johann Bartholomäus Trommsdorffs. Dieser gilt als einer der Begründer der modernen Pharmazie. Dabei blieb der renommierte Wissenschaftler und engagierte Bürger ein Leben lang seiner Vaterstadt Erfurt treu. Ihm gehörte die Apotheke „Zum Schwanen-Ring“ am Anger, an deren Stelle sich heute die Hauptpost befindet. Hieran erinnert seit 2007 ein Bronzemedaillon mit dem Portrait Trommsdorffs, darunter eine ältere Gedenktafel. Bereits seit 1902 mündet die vormalige Mariengasse als Trommsdorffstraße auf den Anger.  


''('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in Thüringer Allgemeine vom 31.12.2019)''
''('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in Thüringer Allgemeine vom 31.12.2019)''




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'''Thüringer Allgemeine vom 30.04.2020''' (zum Lesen anklicken)
'''''Thüringer Allgemeine vom 30.04.2020''' (zum Lesen anklicken)''


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Aktuelle Version vom 2. Oktober 2022, 08:45 Uhr

Historisches 2020

Das Jahr 2020 bietet wichtige Jubiläen von 50 Jahre Erfurter Gipfeltreffen und 100 Jahre Freistaat Thüringen bis hin zum 250. Geburtstag Johann Bartholomäus Trommsdorffs.


BrandtFenster1970.jpg

Wenn es ein historisches Ereignis von internationaler Tragweite in Erfurt gibt, dann ist es das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen vom 19. März 1970. Die ganze Welt schaute an jenem kalten Spätwintertag gespannt in die DDR-Bezirksstadt. 350 Journalisten aus 35 Ländern hatten sich akkreditieren lassen, zahlreiche Fernsehteams lauerten auf spektakuläre Bilder – und wurden nicht enttäuscht. Trotz akribischer Vorbereitungen von Stasi und Polizei erstürmen rund 8000 Menschen den abgesperrten Bahnhofsvorplatz, als die Delegationen mit DDR-Ministerpräsident Willi Stoph und Bundeskanzler Willy Brandt um 9.37 Uhr den Bahnhof verlassen. Zunächst skandiert die Menge „Willy, Willy“. Nachdem sich die Regierungschefs den Weg ins Interhotel „Erfurter Hof“ gebahnt haben, fordert man unmissverständlich: „Willy Brandt ans Fenster!“ Als sich der populäre Kanzler am Hotelfenster zeigt, brandet tosender Jubel auf (Foto: Stadtarchiv Erfurt).

Einig war man sich zumindest im Westen in der positiven Bewertung jener einzigartigen Vorgänge: „Daß die Deutschen weiterhin eine Nation sind, braucht nach dem Erfurter Treffen nicht mehr postuliert zu werden“, so DIE ZEIT. Der Gipfel bildete den Startschuss für den Dialog der beiden deutschen Staaten im Zeitalter der Entspannung. Zugleich räumt man dem von Willy Brandt 1970 begonnenen „Wandel durch Annäherung“ einen hohen Stellenwert für die friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung 1989/90 ein. Als der „Erfurter Hof“ 2007 als Geschäftshaus wiedereröffnete, sollte hieran erinnert werden. Zunächst kam es allerdings zum heftigen „Erfurter Denkmalstreit“ um den Siegerentwurf mit der Leuchtschrift „Willy komm ans Fenster“. Als Kompromiss leuchtet seit 2009 der authentische Ruf „Willy Brandt ans Fenster“ auf dem Dach. Zum 50. Jubiläum wird sich im März das Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ mit dem Thema befassen, der Geschichtsverein widmet ihm seine Fachtagung am 18. April. Bereits 2007 hat der Verein den Sammelband „‚Willy Brandt ans Fenster!‘ Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des ‚Erfurter Hofes‘“ herausgegeben. Dieser ist noch im Stadtmuseum für 9,95 Euro erhältlich.

Ein Schlüsseldatum für die Geschichte Thüringens ist der 1. Mai 1920. Nach Jahrhunderten fürstlicher Kleinstaaterei entstand per Reichsgesetz ein demokratischer Gliedstaat der Weimarer Republik: „Die Länder Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Reuß, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Gotha ohne das Gebiet von Coburg, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen werden zu einem Lande Thüringen vereinigt.“ Diesem ersten Freistaat gehörte freilich der preußische Regierungsbezirk Erfurt noch nicht an, so dass zunächst Weimar als Landeshauptstadt fungierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss man 1945 beide Gebiete zum Land Thüringen zusammen. Erfurt übernahm nun die Hauptstadtrolle, weil es als Industriegroßstadt besser in die „neue Zeit“ passte. Hieran erinnert die „Eierkiste“ am Stadion, Erfurts erstes Hochhaus von 1951. Das neue Regierungsgebäude wurde allerdings bereits 1952 mit der Auflösung der Länder in der DDR zum Sitz des Rates des Bezirkes Erfurt. Seit der deutschen Einheit 1990, die auch Thüringen mit der Landeshauptstadt Erfurt wieder ins Leben rief, residiert dort die Landtagsverwaltung.

Das Jubiläum wird einiges an Veranstaltungen und Publikationen mit sich bringen. So spricht Historiker Steffen Raßloff am 30. März im Rathausfestsaal in einer Gemeinschaftsveranstaltung von Erfurter Geschichtsverein und Historischer Kommission für Thüringen über „100 Jahre Freistaat Thüringen“ und präsentiert die Neuauflage seiner „Geschichte Thüringens“ in der Beck-Wissen-Reihe. Mit einer Sonderausstellung widmet sich ab Mai das Stadtmuseum dem 250. Geburtstag Johann Bartholomäus Trommsdorffs. Dieser gilt als einer der Begründer der modernen Pharmazie. Dabei blieb der renommierte Wissenschaftler und engagierte Bürger ein Leben lang seiner Vaterstadt Erfurt treu. Ihm gehörte die Apotheke „Zum Schwanen-Ring“ am Anger, an deren Stelle sich heute die Hauptpost befindet. Hieran erinnert seit 2007 ein Bronzemedaillon mit dem Portrait Trommsdorffs, darunter eine ältere Gedenktafel. Bereits seit 1902 mündet die vormalige Mariengasse als Trommsdorffstraße auf den Anger.

(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 31.12.2019)


Lesetipps:

Steffen Raßloff (Hg.): "Willy Brandt ans Fenster!" Das Erfurter Gipfeltreffen 1970 und die Geschichte des "Erfurter Hofes". Jena 2007.

Steffen Raßloff: Der Freistaat Thüringen 1920-2020. Erfurt 2020.


Siehe auch: Erfurter Gipfel, Thüringen 1920/2020, J. B. Trommsdorff, Geschichtsverein, Stadtmuseum, Eierkiste, Kapp-Putsch 1920


Thüringer Allgemeine vom 30.04.2020 (zum Lesen anklicken)

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