Schwarzes Loch zwischen Kosmos und Universum?: Unterschied zwischen den Versionen

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'''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''', Historiker und Vorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt (TA/TLZ 11.05.2016)
'''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''', Historiker und Vorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt (TA/TLZ 11.05.2016)
Kommentar von '''[[Jürgen Valdeig]]''', Heimatmaler und Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt, zu einer "Gegenrede" ([http://erfurt.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/suche/detail/-/specific/Wir-denken-noch-zu-oft-in-Konkurrenzen-1517943106 Thüringer Allgemeine] vom 20.05.2016) von Dr. Anselm Hartinger, Direktor der Erfurter Geschichtsmuseen:
'''Mit rotem Sofa gegen schwarzes Loch?'''
Der Erfurter Historiker und Fördervereinsvorsitzende des Stadtmuseums Dr. Steffen Raßloff hat darauf hingewiesen, dass Erfurt erinnerungskulturell im „schwarzen Loch“ zwischen „Barockem Universum Gotha“ und klassischem „Kosmos Weimar“ zu verschwinden drohe.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Raßloff damit die Arbeit der Museumsmacher in Erfurt herabsetzen wollte, wie es Geschichtsmuseen-Direktor Dr. Anselm Hartinger in seinem Interview vom 20. Mai in der TA andeutet. Vielmehr haben Raßloff und der Förderverein durchaus Anteil an dem aktuellen Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot, das mit wenig Geld und viel Kreativität geboten wird.
Dies alles wird aber ebenso wenig wie das von Hartinger angeführte rote Sofa, die Klappstühle oder der Lautsprecher das Stadtmuseum zurück in den Fokus überregionaler Wahrnehmung bringen. Und genau auf diese erinnerungskulturelle Ausstrahlung über unsere Stadtmauern hinweg zielte die Kritik Raßloffs. Es ist Illusion oder bewusste Verdrängung der Realität, sich von dem aktuellen kleinteiligen Aktionismus hier Besserung zu erhoffen. 
Um Erfurt aus dem Windschatten der lebendigen Kulturstädte Weimar und Gotha heraus zu holen, braucht es auch wieder ambitionierte Angebote. Wenn man sich dies nicht einmal mehr zu fordern wagt und nur noch auf das „Backen kleiner Brötchen“ setzt, dürfte sich der museale Provinzialismus wohl auf unabsehbare Zeit in Erfurt festsetzen. 
(Thüringer Allgemeine vom 26.05.2016)





Version vom 26. Mai 2016, 12:04 Uhr

Schwarzes Loch zwischen Kosmos und Universum?

Erfurts historisch-museale Erinnerungskultur verliert immer mehr an Strahlkraft.


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Thüringen vermarktet sich gerne als „Land der Residenzen“. Fürstlicher Repräsentationsgeist bescherte dem heutigen Freistaat Schlösser, Parks, Museen, Bibliotheken und Theater in einmaliger Dichte, machte es zum Synonym des Landes der Dichter und Denker. Hiervon zeugt auch die jüngst eröffnete Landesausstellung „Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“ in Weimar und Gotha.

Die opulente Schau untermauert noch einmal die Konzentration auf die Residenzgeschichte in Thüringen. Das zeigt sich gerade an den Landesausstellungen, mit denen sich der Freistaat am aufwändigsten präsentiert. Nur die erste Schau „Der junge Bach“ fand 2000 in Erfurt statt. Die fünf Ausstellungen seither widmeten sich den einstigen Herrschern und ihren kulturellen Leistungen: 2004 „Land der Residenzen“ (Sondershausen), 2007 „Elisabeth von Thüringen“ (Eisenach/Wartburg), 2011 „Franz Liszt“ (Weimar), 2015 „Cranach in Thüringen“ (mehrere Orte), 2016 „Die Ernestiner“ (Weimar und Gotha).

Was bedeutet das für die Landeshauptstadt? Diese Frage scheint auch mit Blick auf die gerade stattfindende Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes angebracht. Als Nichtresidenz fällt Erfurt durch das beherrschende Raster. Antwort hierauf kann es nur sein, das historische Profil des traditionellen Zentralortes, der Mittelaltermetropole und Universitätsstadt, der Blumenstadt und ersten modernen Großstadt des Landes immer wieder zu schärfen. Lange Zeit hat man dies etwa mit den kulturellen Jahresthemen sowie großen Sonderausstellungen im Stadtmuseum (Abb. Alexander Raßloff), Volkskundemuseum und Angermuseum mit Erfolg getan.

Seit einigen Jahren jedoch tritt die historische Erinnerungskultur – auch, aber nicht nur wegen der finanziellen Lage – zunehmend in den Hintergrund. Großes Potenzial und eine einzigartige Geschichtslandschaft treten damit in Kontrast zum immer bescheideneren Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot. Heftig umstrittener Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Vorbereitung auf das 500. Reformationsjubiläum 2017. Die bedeutendste Lutherstadt neben Wittenberg, die mit dem Augustinerkloster sogar auf die UNESCO-Welterbeliste gelangen könnte, wird deutlich hinter die „Konkurrenz“ zurückfallen.

Jene Entwicklung bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die historisch-museale Ausstrahlung Erfurts. Mit Blick auf die aktuelle Landesausstellung scheint es buchstäblich im „schwarzen Loch“ zwischen klassischem „Kosmos Weimar“ und „Barockem Universum Gotha“ zu verschwinden. Dies droht zum Dauerzustand werden. Denn die beiden hellen Fixpunkte im „Land der Residenzen“ werden mit Millionenaufwand noch weiter an Strahlkraft gewinnen, während in Erfurt Vergleichbares nicht abzusehen ist.

Dr. Steffen Raßloff, Historiker und Vorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt (TA/TLZ 11.05.2016)


Kommentar von Jürgen Valdeig, Heimatmaler und Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt, zu einer "Gegenrede" (Thüringer Allgemeine vom 20.05.2016) von Dr. Anselm Hartinger, Direktor der Erfurter Geschichtsmuseen:


Mit rotem Sofa gegen schwarzes Loch?

Der Erfurter Historiker und Fördervereinsvorsitzende des Stadtmuseums Dr. Steffen Raßloff hat darauf hingewiesen, dass Erfurt erinnerungskulturell im „schwarzen Loch“ zwischen „Barockem Universum Gotha“ und klassischem „Kosmos Weimar“ zu verschwinden drohe.

Ich habe nicht den Eindruck, dass Raßloff damit die Arbeit der Museumsmacher in Erfurt herabsetzen wollte, wie es Geschichtsmuseen-Direktor Dr. Anselm Hartinger in seinem Interview vom 20. Mai in der TA andeutet. Vielmehr haben Raßloff und der Förderverein durchaus Anteil an dem aktuellen Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot, das mit wenig Geld und viel Kreativität geboten wird.

Dies alles wird aber ebenso wenig wie das von Hartinger angeführte rote Sofa, die Klappstühle oder der Lautsprecher das Stadtmuseum zurück in den Fokus überregionaler Wahrnehmung bringen. Und genau auf diese erinnerungskulturelle Ausstrahlung über unsere Stadtmauern hinweg zielte die Kritik Raßloffs. Es ist Illusion oder bewusste Verdrängung der Realität, sich von dem aktuellen kleinteiligen Aktionismus hier Besserung zu erhoffen.

Um Erfurt aus dem Windschatten der lebendigen Kulturstädte Weimar und Gotha heraus zu holen, braucht es auch wieder ambitionierte Angebote. Wenn man sich dies nicht einmal mehr zu fordern wagt und nur noch auf das „Backen kleiner Brötchen“ setzt, dürfte sich der museale Provinzialismus wohl auf unabsehbare Zeit in Erfurt festsetzen.

(Thüringer Allgemeine vom 26.05.2016)


Siehe auch: Museen in Erfurt, Vorbereitung Reformationsjubiläum 2017, Landesausstellung "Ernestiner"


Weiter lesen zur Situation der Kultur in Erfurt:

> In Erfurt wird die „Königin Kultur“ zu Grabe getragen (Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 26.05.2016)