Serie Denkmale in Erfurt III: Unterschied zwischen den Versionen

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Helmut Wolf hat 2005 in seinem Buch „Erfurt im Luftkrieg“ in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins das Kriegsende mit großer Quellenkenntnis und dank eigener Erlebnisse beschrieben. Er weist dort auch auf die tragischen Vorkommnisse in Gispersleben unmittelbar vor Ende der Kampfhandlungen hin. Hieran erinnert im 2009 neugestalteten Kiliani-Park nunmehr eine Gedenktafel. Sie liegt über einem Soldatengrab mit Angehörigen der Wehrmacht, des Volkssturms und der Waffen-SS, die am 11. April 1945 im Ortsbereich gefallen bzw. von US-Truppen nach ihrer Gefangennahme erschossen worden sind. „Die näheren Umstände dieses Massakers lassen sich aufgrund der spärlichen Dokumentenlage heute nicht mehr ermitteln“, so Wolf. Die Gedenktafel ehrt so schlicht die Toten, die wie viele andere als sinnlose Opfer eines längst verlorenen Krieges starben.
Helmut Wolf hat 2005 in seinem Buch „Erfurt im Luftkrieg“ in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins das Kriegsende mit großer Quellenkenntnis und dank eigener Erlebnisse beschrieben. Er weist dort auch auf die tragischen Vorkommnisse in Gispersleben unmittelbar vor Ende der Kampfhandlungen hin. Hieran erinnert im 2009 neugestalteten Kiliani-Park nunmehr eine Gedenktafel. Sie liegt über einem Soldatengrab mit Angehörigen der Wehrmacht, des Volkssturms und der Waffen-SS, die am 11. April 1945 im Ortsbereich gefallen bzw. von US-Truppen nach ihrer Gefangennahme erschossen worden sind. „Die näheren Umstände dieses Massakers lassen sich aufgrund der spärlichen Dokumentenlage heute nicht mehr ermitteln“, so Wolf. Die Gedenktafel ehrt so schlicht die Toten, die wie viele andere als sinnlose Opfer eines längst verlorenen Krieges starben.
'''Vater des modernen Erfurt'''
DENKMALE IN ERFURT (22): In '''''Richard Breslaus''''' Amtszeit als Oberbürgermeister begann Erfurts Weg zur modernen Industriegroßstadt. Daran erinnert das Denkmal in der Löberstraße.
Nach der Reichseinigung 1871 entwickelte sich Erfurt innerhalb weniger Jahrzehnte von einer beengten Festungsstadt mit 44.000 Einwohnern zu einer Industriemetropole, die bereits 1906 die 100.000-Einwohner-Marke überschritt. Die Stadt breitete sich in alle Richtungen aus, die Wirtschaft boomte, die Infrastruktur wurde mit Wasserleitung, Elektrizität, Straßenbahn, Krankenhaus u.v.a. grundlegend modernisiert. Eine der wegweisenden Maßnahmen war das Doppelprojekt von Flutgraben und Ringstraße, dem heutigen Juri-Gagarin-Ring. In einer solchen Zeit brauchte es einen erfahrenen und zupackenden Oberbürgermeister, den Erfurt mit Richard Breslau (1835-1897) auch besaß. Er gilt bis heute mit Blick auf seine Amtszeit von 1871 bis 1889 zu Recht als „Vater des modernen Erfurt“.
Dessen waren sich auch schon die Zeitgenossen bewusst. Im Auftrag des Erfurter Magistrats gestaltete Bildhauer Carl Melville eine der repräsentativsten Denkmalanlagen der Stadt. Sie wurde am 19. Oktober 1912 in der damaligen Bismarckstraße (Löberwallstraße) enthüllt. Das Denkmal verkörpert die großen Verdienste des Kommunalpolitikers. So hatte Melville mit zwei lebensgroßen Flachrelieffiguren Handel und Verkehr sowie Industrie und Bauwesen personifiziert. Das waren jene Bereiche, die Breslau besonders gefördert hatte. Mit dem Wasserbecken bezog sich der Künstler auf die 1876 eröffnete Zentralwasserleitung und beginnende Kanalisation. Der Denkmalstandort erinnerte an Breslaus entscheidende Mitwirkung am Flutgrabenprojekt. Die Umfunktionierung des alten Festungsgrabens zum Hochwasser regulierenden Umflutgraben, die Ringstraße und die Begrünung der ehemaligen Wälle gehören zu den wichtigsten Städtebauprojekten der neueren Stadtgeschichte. Auf Erfurts Bedeutung als moderne Blumenstadt verwies der Bildhauer durch Attribute wie Putten, Sähtuch und Blumen.
Die Erinnerung an Breslau verblasste jedoch in der DDR-Zeit. 1967 reduzierte man die monumentale Anlage sogar auf ein Fragment. Man trennte die Stelen vom Wasserbecken und versetzte sie 200 Meter entfernt an die Uferböschung. Der „bürgerliche“ Kommunalpolitiker war gewissermaßen aus dem Blickfeld gerückt. Während nach 1989 viele vernachlässigte Denkmale rasch Spender fanden, blieb das abseits stehende Breslau-Monument lange Zeit unbeachtet. Die Erfurter Denkmalbehörde machte in dieser Situation ihrem Namen alle Ehre. Auf ihre Initiative und mit Unterstützung des Geschichtsvereins konnte die rekonstruierte Anlage, wenn auch ohne Brunnen, 2007 wieder an die Löberstraße zurück versetzt werden.

Version vom 3. Dezember 2011, 12:00 Uhr

Denkmale in Erfurt III

Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (veröffentl. 2011)


Erfurter Denkmale

Lutherdenkmalklein.jpg

Erfurt besitzt eine vielgestaltige Denkmallandschaft. Vom Standbild à la Luther über diverse Denkmalbrunnen bis hin zum wuchtigen Bismarckturm reicht das Spektrum. Hinzu kommen moderne Installationen wie das Deserteurs-Denkmal sowie viele kleinere Büsten, Schrifttafeln und Gedenksteine.


Denkmale würdigen aber nicht nur historische Personen und Ereignisse. Sie spiegeln auch Selbstverständnis und Kunstgeschmack ihrer Entstehungszeit. Der spätere Umgang mit ihnen verweist auf politische Wandlungsprozesse. Oft entzündeten sich um sie heftige Kontroversen, wie zuletzt um die Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof. Unsere Denkmale sind damit Zeugen der Geschichte und Gegenwart. Sie zum sprechen zu bringen, hat sich die TA-Serie zum Ziel gesetzt.


Sinnlose Opfer

DENKMALE IN ERFURT (21): Noch unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Erfurt kamen rund 50 deutsche Soldaten bei Kämpfen und einer Erschießung in Gispersleben zu Tode.

Der Zweite Weltkrieg forderte als größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte je nach Schätzung zwischen 50 und 70 Millionen Opfer. Spielte sich das Geschehen aus Sicht der Erfurter nach Kriegsbeginn im September 1939 zunächst weit weg in Europa und Übersee ab, sollte doch in Form der gefallenen Soldaten rasch der blutige Ernst auch an der Gera deutlich werden. Mit den 1944 schlagartig hereinbrechenden Luftangriffen hatte der Krieg endgültig die Stadt erfasst. Rund 1600 Erfurter verloren durch Bombenabwürfe und Kampfhandlungen ihr Leben, 23.000 waren obdachlos. Die ca. 1100 t Bombenlast aus britischen und amerikanischen Flugzeugen hatten zudem enorme Zerstörungen im Stadtbild angerichtet. Wichtige Kulturdenkmale, wie große Teile des Augustinerklosters, das Collegium maius der Alten Universität oder die Barfüßerkirche lagen in Schutt und Asche.

Der April 1945 brachte schließlich das Ende mit Schrecken. Die von Westen vorrückenden US-Truppen unter General Patton hatten das zum festungsartigen „Ortsstütztpunkt“ erklärte Erfurt zunächst umgangen und weitgehend eingeschlossen. Am 11. und 12. April kam es zu opferreichen Gefechten, da sich Kampfkommandant Oberst Otto Merkel entsprechend einem Führerbefehl weigerte, zu kapitulieren. Dass in jenen letzten Kriegstagen in Erfurt nicht noch größerer Schaden angerichtet wurde, lag nur an den schwachen Verteidigungskräften von Wehrmacht und Volkssturm, die die US-Truppen vor keine größeren Probleme stellten. Dennoch mussten noch einmal dutzende Menschen ihr Leben für die völlig aussichtslose Verteidigung der Stadt lassen. Erhebliche Zerstörungen, darunter das Büromaschinenwerk im Brühl und die Gebäude am heutigen Angereck, kamen hinzu.

Helmut Wolf hat 2005 in seinem Buch „Erfurt im Luftkrieg“ in der Schriftenreihe des Geschichtsvereins das Kriegsende mit großer Quellenkenntnis und dank eigener Erlebnisse beschrieben. Er weist dort auch auf die tragischen Vorkommnisse in Gispersleben unmittelbar vor Ende der Kampfhandlungen hin. Hieran erinnert im 2009 neugestalteten Kiliani-Park nunmehr eine Gedenktafel. Sie liegt über einem Soldatengrab mit Angehörigen der Wehrmacht, des Volkssturms und der Waffen-SS, die am 11. April 1945 im Ortsbereich gefallen bzw. von US-Truppen nach ihrer Gefangennahme erschossen worden sind. „Die näheren Umstände dieses Massakers lassen sich aufgrund der spärlichen Dokumentenlage heute nicht mehr ermitteln“, so Wolf. Die Gedenktafel ehrt so schlicht die Toten, die wie viele andere als sinnlose Opfer eines längst verlorenen Krieges starben.


Vater des modernen Erfurt

DENKMALE IN ERFURT (22): In Richard Breslaus Amtszeit als Oberbürgermeister begann Erfurts Weg zur modernen Industriegroßstadt. Daran erinnert das Denkmal in der Löberstraße.

Nach der Reichseinigung 1871 entwickelte sich Erfurt innerhalb weniger Jahrzehnte von einer beengten Festungsstadt mit 44.000 Einwohnern zu einer Industriemetropole, die bereits 1906 die 100.000-Einwohner-Marke überschritt. Die Stadt breitete sich in alle Richtungen aus, die Wirtschaft boomte, die Infrastruktur wurde mit Wasserleitung, Elektrizität, Straßenbahn, Krankenhaus u.v.a. grundlegend modernisiert. Eine der wegweisenden Maßnahmen war das Doppelprojekt von Flutgraben und Ringstraße, dem heutigen Juri-Gagarin-Ring. In einer solchen Zeit brauchte es einen erfahrenen und zupackenden Oberbürgermeister, den Erfurt mit Richard Breslau (1835-1897) auch besaß. Er gilt bis heute mit Blick auf seine Amtszeit von 1871 bis 1889 zu Recht als „Vater des modernen Erfurt“.

Dessen waren sich auch schon die Zeitgenossen bewusst. Im Auftrag des Erfurter Magistrats gestaltete Bildhauer Carl Melville eine der repräsentativsten Denkmalanlagen der Stadt. Sie wurde am 19. Oktober 1912 in der damaligen Bismarckstraße (Löberwallstraße) enthüllt. Das Denkmal verkörpert die großen Verdienste des Kommunalpolitikers. So hatte Melville mit zwei lebensgroßen Flachrelieffiguren Handel und Verkehr sowie Industrie und Bauwesen personifiziert. Das waren jene Bereiche, die Breslau besonders gefördert hatte. Mit dem Wasserbecken bezog sich der Künstler auf die 1876 eröffnete Zentralwasserleitung und beginnende Kanalisation. Der Denkmalstandort erinnerte an Breslaus entscheidende Mitwirkung am Flutgrabenprojekt. Die Umfunktionierung des alten Festungsgrabens zum Hochwasser regulierenden Umflutgraben, die Ringstraße und die Begrünung der ehemaligen Wälle gehören zu den wichtigsten Städtebauprojekten der neueren Stadtgeschichte. Auf Erfurts Bedeutung als moderne Blumenstadt verwies der Bildhauer durch Attribute wie Putten, Sähtuch und Blumen.

Die Erinnerung an Breslau verblasste jedoch in der DDR-Zeit. 1967 reduzierte man die monumentale Anlage sogar auf ein Fragment. Man trennte die Stelen vom Wasserbecken und versetzte sie 200 Meter entfernt an die Uferböschung. Der „bürgerliche“ Kommunalpolitiker war gewissermaßen aus dem Blickfeld gerückt. Während nach 1989 viele vernachlässigte Denkmale rasch Spender fanden, blieb das abseits stehende Breslau-Monument lange Zeit unbeachtet. Die Erfurter Denkmalbehörde machte in dieser Situation ihrem Namen alle Ehre. Auf ihre Initiative und mit Unterstützung des Geschichtsvereins konnte die rekonstruierte Anlage, wenn auch ohne Brunnen, 2007 wieder an die Löberstraße zurück versetzt werden.