Georgenburse Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''vermutlicher Wohnort Luthers als Student und Magister in Erfurt (1501-05)'''
'''Die Georgenburse Erfurt gilt als Wohnort Martin Luthers als Student und Magister an der Universität Erfurt 1501-1505.'''


'''ab 31. Oktober 2010 Begegnungs- und Bildungsstätte "Studienort der Lutherzeit" mit ökumenischer Pilgerherberge'''


[[Datei:Georgenbursenetz.jpg|350px|right]][[Datei:Georgeburse.Ausstellung.jpg|350px|right]]Das mittelalterliche Studium spielte sich überwiegend in Kollegien und Bursen ab. Die bis zu 1000 Studenten der '''[[Universität Erfurt]]''', mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 die älteste im heutigen Deutschland, mussten in solchen klosterähnlichen Studien- und Wohnstätten Quartier nehmen. Die Kollegien waren angesehene Bursen, in denen zahlreiche Lehrende und Lernende gemeinsam lebten. Das '''[[Collegium maius Erfurt|Collegium maius]]''' etwa diente als Hauptsitz der Universität und Sitz der Philosophischen Fakultät. Die Bursen waren dagegen kleiner.


Die Georgenburse in der Augustinerstraße diente Luther vermutlich als „Studentenwohnheim“, in dem es allerdings recht klösterlich zu ging. Vor 100 Jahren durch Johannes Biereye in ihrer historischen Bedeutung wieder publik gemacht, wird die Burse nun als „Studienort der Lutherzeit“ und Pilgerherberge rekonstruiert.
Die bekannteste ist die Georgenburse an der Augustinerstraße. Ein Brief seines Verwandten Dietrich Lindemann von 1526 belegt, dass der spätere Reformator '''[[Martin Luther]]''' hier vermutlich zwischen 1501 und 1505 als Bursale (= Bursche, Bursenbewohner) lebte: "Grüßt mir unseren Verwandten M. Luther, der als Baccalaureus mich einst zu Erfurt in der Georgenburse […] einige Tage freundlich aufnahm." Die Georgenburse wurde 1456 erstmals erwähnt und existierte bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie bestand aus einem ganzen Gebäudekomplex bis zur Augustinerstraße.  


Im 20. Jahrhundert ins öffentliche Bewusstsein zurück gekehrt, bekam das erhaltene Gebäude im '''[[Luther Ehrung Erfurt 1983|Lutherjahr 1983]]''' nach grundhafter Sanierung und Umfeldgestaltung sein heutiges Aussehen. Es geht in einzelnen Bauteilen bis ins 14. Jahrhundert zurück, entstand nach neueren Bauforschungen in dieser Form aber wohl erst im späten 16. Jahrhundert.


Bursen waren einst die „Studentenwohnheime“ der Universitäten. In ihnen lebten Studierende und Lehrende gemeinsam in einer fast klösterlich anmutenden Ordnung. Frühes Aufstehen und Schlafengehen, klare Regeln für den Tagesablauf und bescheidener Lebenswandel jenseits der akademischen Festlichkeiten waren in den Bursenordnungen festgeschrieben. Der junge Luther entschied sich 1501 für die Georgenburse in der Augustinerstraße, nur einen Steinwurf vom Collegium maius entfernt, wo er sich als Student immatrikuliert hatte.  
2010 öffnete hier nach erneuter Sanierung eine Begegnungs- und Bildungsstätte mit Pilgerherberge, die vom '''[[Augustinerkloster Erfurt|Augustinerkloster]]''' mit betreut wurde. Eine Dauerausstellung (siehe Abb.) beleuchtete das mittelalterliche Universitätsleben sowie die Bedeutung der Lutherstätte (Gestaltung: Dr. Steffen Raßloff und Ulrich Spannaus). Luthers "Studentenwohnheim" stieß beim '''[[500._Reformationsjubilaeum_Luther 2017|500. Reformationsjubiläum 2017]]''' noch einmal auf großes Interesse. Mittlerweile ist das Gebäude allerdings nicht mehr öffentlich zugänglich. Musealen Niederschlag findet Luthers Erfurter Zeit vor allem im '''[[Stadtmuseum Erfurt|Stadtmuseum]]''' und '''[[Augustinerkloster Erfurt|Augustinerkloster]]'''.


Das Wissen um Luthers Burse verdanken wir Prof. Johannes Biereye, langjähriger Vorsitzender des Erfurter Geschichtsvereins. Aus Anlass des Reformationsjubiläums 1917 hatte er sich intensiv mit den Lutherstätten in Erfurt beschäftigt. Biereye wusste, dass nur in einem 1902 entdeckten Brief auf die schon im 16. Jahrhundert geschlossene Georgenburse als Luthers Aufenthaltsort hingewiesen wird. Er konnte diese an der heute bekannten Stelle verorten. Allerdings war der Komplex einst sehr viel größer und reichte bis an die Augustinerstraße heran. Erhalten ist nur der Gebäudeteil im Hinterhof. Dieser freilich geht auch nach Ansicht des Bauhistorikers Dr. Thomas Nitz tatsächlich in seinen ältesten Bauteilen bis auf die Lutherzeit zurück.
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


Trotz der schmalen Quellenbasis kann man also von der Authentizität der Georgenburse als Lutherstätte ausgehen. Biereye bedauerte vor gut 100 Jahren allerdings, dass die modernen Häuserblocks der Augustinerstraße den Blick auf das historische Gebäude verstellten. Die Fliegerbomben des Zweiten Weltkrieges sollten diese Situation völlig verändern. So konnte man schließlich 1983 im Rahmen des 500. Luthergeburtstages die Chance einer Neugestaltung nutzen. Die Georgenburse wurde rekonstruiert und eine Grünfläche davor angelegt. Der Bauboom nach der „Wende“ hat die Burse allerdings wieder in den Schatten noch modernerer Häuserblocks gestellt. Zumindest bleibt sie aber von der Lehmannsbrücke und dem gegenüber liegenden Gera-Ufer aus sichtbar.


Das Haus steht nun unmittelbar vor einer komplexen Sanierung und Umgestaltung als „Studienort der Lutherzeit“. Dort soll bis zum 31. Oktober 2010 eine Begegnungs- und Bildungsstätte mit ökumenischer Pilgerherberge entstehen, die Schlaglichter auf das einstige Universitätsleben wirft. Die Initiative hierfür ging vom „Bonhoeffer-Haus e.V.“ und “Freundeskreis Georgenburse Erfurt e.V.aus, zu deren treibenden Kräften Augustinerkloster-Kurator Lothar Schmelz und Oberkirchenrat Dr. Thomas A. Seidel zählen. So entsteht auf halbem Wege zwischen Collegium maius und Augustinerkloster ein weiterer hochkarätiger Erinnerungsort in der Lutherstadt Erfurt.
'''Lesetipps:'''
 
Steffen Raßloff: '''[[Georgenburse Geschichte|Georgenburse Erfurt - Studienort der Lutherzeit.]]''' In: Stadt und Geschichte 47 (2011). S. 28 f.
 
Steffen Raßloff: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]].''' Erfurt 2012 (5. Auflage 2019).
 
Steffen Raßloff: '''[[Erfurt_55_Highlights_aus_der_Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]]'''. Erfurt 2021.
 
Siehe auch: '''[[Gedenktafel Georgenburse]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 09:39 Uhr

Georgenburse Erfurt

Die Georgenburse Erfurt gilt als Wohnort Martin Luthers als Student und Magister an der Universität Erfurt 1501-1505.


Georgenbursenetz.jpg
Georgeburse.Ausstellung.jpg

Das mittelalterliche Studium spielte sich überwiegend in Kollegien und Bursen ab. Die bis zu 1000 Studenten der Universität Erfurt, mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 die älteste im heutigen Deutschland, mussten in solchen klosterähnlichen Studien- und Wohnstätten Quartier nehmen. Die Kollegien waren angesehene Bursen, in denen zahlreiche Lehrende und Lernende gemeinsam lebten. Das Collegium maius etwa diente als Hauptsitz der Universität und Sitz der Philosophischen Fakultät. Die Bursen waren dagegen kleiner.

Die bekannteste ist die Georgenburse an der Augustinerstraße. Ein Brief seines Verwandten Dietrich Lindemann von 1526 belegt, dass der spätere Reformator Martin Luther hier vermutlich zwischen 1501 und 1505 als Bursale (= Bursche, Bursenbewohner) lebte: "Grüßt mir unseren Verwandten M. Luther, der als Baccalaureus mich einst zu Erfurt in der Georgenburse […] einige Tage freundlich aufnahm." Die Georgenburse wurde 1456 erstmals erwähnt und existierte bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie bestand aus einem ganzen Gebäudekomplex bis zur Augustinerstraße.

Im 20. Jahrhundert ins öffentliche Bewusstsein zurück gekehrt, bekam das erhaltene Gebäude im Lutherjahr 1983 nach grundhafter Sanierung und Umfeldgestaltung sein heutiges Aussehen. Es geht in einzelnen Bauteilen bis ins 14. Jahrhundert zurück, entstand nach neueren Bauforschungen in dieser Form aber wohl erst im späten 16. Jahrhundert.

2010 öffnete hier nach erneuter Sanierung eine Begegnungs- und Bildungsstätte mit Pilgerherberge, die vom Augustinerkloster mit betreut wurde. Eine Dauerausstellung (siehe Abb.) beleuchtete das mittelalterliche Universitätsleben sowie die Bedeutung der Lutherstätte (Gestaltung: Dr. Steffen Raßloff und Ulrich Spannaus). Luthers "Studentenwohnheim" stieß beim 500. Reformationsjubiläum 2017 noch einmal auf großes Interesse. Mittlerweile ist das Gebäude allerdings nicht mehr öffentlich zugänglich. Musealen Niederschlag findet Luthers Erfurter Zeit vor allem im Stadtmuseum und Augustinerkloster.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Georgenburse Erfurt - Studienort der Lutherzeit. In: Stadt und Geschichte 47 (2011). S. 28 f.

Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Erfurt 2012 (5. Auflage 2019).

Steffen Raßloff: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021.


Siehe auch: Gedenktafel Georgenburse, Geschichte der Stadt Erfurt