Luftkrieg Luftschutzkeller Stadtmuseum

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Luftkrieg / Luftschutzkeller Stadtmuseum

Beitrag der TA-Serie 70 Jahre Kriegsende 1945 von Dr. Steffen Raßloff (17.01.2015)


Kriegsalltag unter der Erde

70 Jahre Kriegsende (3): Fast täglich mussten die Erfurter 1944/45 in ihre oft unzulänglichen Luftschutzkeller flüchten.


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Für die meisten Erfurter ist es heute kaum noch möglich, sich in die Situation der angloamerikanischen Luftangriffe während des Zweiten Weltkrieges hinein zu versetzen. Die ungeheure nervliche Anspannung in den oft unzulänglichen Luftschutzkellern und das Zermürbende der fast täglichen Angriffswarnungen bei Tag und Nacht prägten insbesondere in den beiden letzten Kriegsjahren 1944/45 den Alltag. Ein Volltreffer des Gebäudes über ihnen konnte für alle Insassen im Keller den Tod bedeuten. Nicht ohne Grund steht das Heulen der Sirenen für die Schrecken jenes Krieges, der von Deutschland 1939 in die Welt hinaus getragen worden war und nun per Fliegerbomben zurückkehrte. In Erfurt kamen bei den Angriffen ca. 1600 Menschen ums Leben, zahlreiche weitere wurden teils schwer verletzt. Durch die Zerstörung von Wohnhäusern wurden etwa 23.000 Einwohner obdachlos.

Dank des Stadtmuseums „Haus zum Stockfisch“, seines Fördervereins und des ehrenamtlichen Denkmalpflegers Karsten Grobe konnte 2005 ein Luftschutzkeller rekonstruiert und nach damaligen Luftschutzvorschriften ausgestattet werden. Der Zugang befindet sich im Hof des ehemaligen Wigbertiklosters nahe dem Hirschgarten. Auf Anfrage im Stadtmuseum sind Führungen durch den mittelalterlichen Hauskeller möglich, der 1938 als Luftschutzkeller für bis zu 50 Personen eingerichtet worden war. So manche Besuchergruppe von der Schulklasse bis hin zum Geschichtsverein hat schon das bedrückende Gefühl einer Führung samt authentischer Geräusche der Kriegszeit gemacht. Wenngleich einem bewusst ist, dass es sich nur um eine Simulation handelt, kann man sich doch kaum der Bedrückung in dem engen Kellergewölbe entziehen. Hier kann der Nachgeborene wohl noch am ehesten erahnen, was die Menschen im Zweiten Weltkrieg durchzumachen hatten.

Dass Erfurt heute wie kaum eine andere Stadt über detaillierte Informationen zu allen Luftangriffen, zu deren Folgen und Opfern verfügt, verdankt es Helmut Wolf. Der gebürtige Erfurter hat die Schrecken des Krieges als junger Luftschutzhelfer selbst miterlebt und fotografisch festgehalten. Später hat er in akribischer Forschungsarbeit nicht nur ungezählte deutsche Quellenbestände gesichtet, sondern auch französische, britische und amerikanische Archive durchforstet. So lassen sich die Luftangriffe etwa durch die entsprechenden Reports der Royal Air Force und US Army Air Forces samt Bildmaterial rekonstruieren. 2005 konnte der Erfurter Geschichtsverein in seiner Schriftenreihe die Forschungen Wolfs in dem Band „Erfurt im Luftkrieg 1939-1945“ veröffentlichen. Sie fanden nicht nur Anerkennung in der Fachwelt, sondern trafen auch auf großes Interesse beim Leser. So liegt das Buch seit 2013 in zweiter Auflage vor. (Fotos: Luftschutzkeller Marktstraße 50, Luftschutzkeller Wigbertikloster, Stadtmuseum Erfurt)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Das Wunder von Erfurt. Erfurt und der Luftkrieg In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 98 f.

Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg. Jena 2005 (2. Auflage 2013).


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt im NS, Erfurt im Luftkrieg, Stadtmuseum Erfurt, Museen in Erfurt