Weimarer Republik

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Erfurt in der Weimarer Republik

Die spannungsreiche Zeit der Weimarer Republik mit Bürgerkrieg und Goldenen Zwanzigern hat Erfurt geprägt, hat auch bedeutende Kulturdenkmale hinterlassen.


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Vor 100 Jahren, am 6. Februar 1919, begannen in Weimar die Verhandlungen der Deutschen Nationalversammlung. Auch Erfurt hatte sich hierfür beworben und das Predigerkloster als Tagungsstätte angeboten. Letztlich entschied sich aber die Reichsregierung um den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert für das ruhigere Beamtenstädtchen an der Ilm mit seiner großen Kulturtradition.

Die nach Weltkrieg und Novemberrevolution aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Berlin gewichene Nationalversammlung verabschiedete am 31. Juli die Verfassung der Weimarer Republik. Dies steht am Beginn der ersten deutschen Demokratie, die mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 schon wieder endete. Charakteristisch für diese Jahre waren blutige Straßenkämpfe, Saalschlachten und Demonstrationen, Freikorps und Parteiarmeen ebenso, wie moderne Kunst und Architektur, Kinoklassiker, bahnbrechende Städtebauprojekte und technischer Fortschritt.

Jene schillernde Epoche spiegelt sich nicht nur im „Babylon Berlin“, sondern ebenso in Erfurt. Auch in der 130.000 Einwohner zählenden Industriegroßstadt wuchsen die Spannungen zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft. Sie entluden sich im Kapp-Putsch vom März 1920 (Foto: Stadtarchiv Erfurt). Die Kämpfe von bewaffneten Arbeitern mit Soldaten, Polizisten und Bürgerwehr forderten acht Todesopfer und zahlreiche Verletzte. In den letzten Jahren der Republik lebte die Gewalt wieder auf, jetzt v.a. in Form von Schlägereien zwischen Nazis und Kommunisten.

In jenen unruhigen Jahren sehnte sich so mancher Bürger ins strahlende Kaiserreich der Hohenzollern zurück. Ein weltweit belachtes Schlaglicht hierauf warf der Auftritt des „falschen Prinzen“ Harry Domela, der 1926 als vermeintlicher Prinz von Preußen in Georg Kossenhaschens Luxushotel „Erfurter Hof“ herrschaftlich logierte.

Freilich orientierten sich immer größere Teile des durch Wirtschaftskrisen und Inflation sozial deklassierten Bürgertums schrittweise politisch um. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise kam es zu einer förmlichen Flucht in die von Adolf Hitler verkündete Vision einer „nationalen Volksgemeinschaft“ der Nationalsozialisten. Der Rechtsruck wurde im November 1929 erstmals spektakulär offenbar. Der vorbestrafte Antisemit und Herausgeber des Wochenblattes „Echo Germania“ Adolf Schmalix hatte die Kommunalwahl gewonnen. „Erfurt begeht moralischen Selbstmord“ – so rauschte es durch den Blätterwald in ganz Deutschland. Wenig später war die NSDAP vor allem dank des bürgerlichen Mittelstandes zur stärksten Partei aufgestiegen.

Erfurt in der Weimarer Republik ist jedoch keineswegs nur Bürgerkrieg und politischer Radikalismus. Vielmehr spielte die 1919 bis 1933 vom liberalen Oberbürgermeister Bruno Mann, geführte Stadt im Kulturleben eine beachtliche Rolle. Erfurt stand nicht nur in engem Austausch mit dem 1919 gegründeten Weimarer Bauhaus, sondern entwickelte sich selbst zu einem Brennpunkt moderner Kultur. Das Angermuseum konnte dank der Unterstützung des jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess eine der bedeutendsten Sammlungen des Expressionismus aufbauen. Hieran erinnert u.a. der Heckelraum mit seinen Wandmalereien „Lebensstufen“ – ein wahrer Schatz der klassischen Moderne.

Auch der Städtebau der „Goldenen Zwanziger“ hat bleibende Werte geschaffen. Der Nordpark mit dem Nordbad und das heutige Steigerwaldstadion gehen ebenso in diese Zeit zurück, wie zahlreiche Geschäfts- und Wohnbauten im Bauhau-Stil. Der 1925 eröffnete Flughafen am Roten Berg läutete ein neues Zeitalter der Mobilität ein, das Auto begann seinen Weg zum Massenverkehrsmittel an der Schnittstelle der neuen Reichsfernstraßen 4 und 7. Sogar ein kompletter Straßenring um die Stadt wurde geplant, der erst in unseren Tagen Realität werden sollte.

Das modernisierte Kaufhaus_Römischer_Kaiser_Erfurt, das heutige „Anger 1“, verkörperte den Massenkonsum der 1920er-Jahre (Foto: Stadtarchiv Erfurt), in den Hotels, Restaurants, Varietés und Kinos mit den ersten Tonfilmen wie „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich herrschte Hochbetrieb, täglich erschien ein halbes Dutzend Zeitungen, das Leben pulsierte in der alten Metropole Thüringens. Auch das war Erfurt in der Weimarer Republik.

(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 06.02.2019)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.

Steffen Raßloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur. Köln/Weimar/Wien 2003.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, 100. Jubiläum Bauhaus und Nationalversammlung 2019