Blumenstadt Erfurt - Gartenbauunternehmen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Mythos Blumenstadt (6): Das Gartenbauunternehmen Chrestensen'''
 
Der Ruf der Blumenstadt hatte Niels Lund Chrestensen aus dem dänischen Jütland nach Erfurt geführt. Er sollte diesen Ruf gehörig befördern. Seit 1867 betätigen sich mittlerweile fünf Generationen dieses Familienunternehmens erfolgreich als „Lieferanten für die Gärten der Welt“.
 
 
Niels Lund Chrestensen (1840-1914) war der älteste Sohn eines dänischen Bauern in Jütland. Er lernte das Gärtnerhandwerk bei C. Jensen in Aarhus. Zur weiteren Ausbildung ging er 1864 nach Erfurt, das schon zu dieser Zeit eine einmalige Dichte an Gartenbauunternehmen von Weltruf und verschiedenen Spezialisierungsrichtungen aufwies. In mehreren Firmen betätigte er sich als Gehilfe und Obergärtner.
 
1867 begann Chrestensen mit einer Binderei von prächtigen Blumensträußen und Kränzen. Das von ihm erfundene Trockenverfahren machte die Blumen länger haltbar und sorgte rasch für regen Absatz. 1874 erweiterten Kunst- und Handelsgärtnerei sowie Krobflechterei die Produktpalette. Der florierende Samenhandel machte „N.L. Chrestensen“ schließlich um die Jahrhundertwende zur Weltfirma. Die internationalen Märkte wurden seit 1896 auch von einem Verkaufsbüro in London aus koordiniert. Die Weltausstellung 1893 in Chicago endete mit der Ehrung durch die Große Columbus Medaille, zu der hunderte andere Preise hinzu kamen.
 
Zugleich gehörte Chrestensen als Vertreter der bürgerlichen Honoratiorenschaft dem Vorstand des 1898 gegründeten „Erfurter Spar- und Bauvereins“, einem katholischen Kirchenvorstand und dem „Bürger-Schützen-Corps 1463“ an, Ausrichter des beliebten Schützenfestes. Zugleich trat er als Spender und Stifter auf. Auch seine Nachkommen blieben diesem ehrenamtlichen Engagement treu, ebenso wie dem wirtschaftlichen Erfolg der Firma. Sie konnten auch die Rückschläge durch den Ersten Weltkrieg kompensieren, selbst das 1914 geschlossene Büro in London nahm 1926 seinen Betrieb wieder auf.
 
Ähnlich wie bei Kakteen-Haage blieb die Familientradition trotz aller Restriktionen sogar über die DDR-Zeit hinweg gewahrt. Nach Überführung des Betriebes in Volkseigentum 1972 verblieb Inhabersohn Niels Lund Chrestensen im Betrieb für die Blumensamenzucht und -vermehrung verantwortlich. Nach der Reprivatisierung 1990 übernahm er als Geschäftsführer die Leitung der Firma. Mit gärtnerischem Versandhandel, Fleurop-Blumendienst, Samen- und Pflanzenhandel konnte N.L. Chrestensen wieder eine internationale Marktposition aufbauen. Im Stammhaus in der Marktstraße und im 1994 eingeweihten Lager- und Logistikzentrum im Brühler Feld, dem traditionellen Firmenstandort, herrscht reges Treiben. Rund 100 Mitarbeiter erfüllen die Kundenwünsche von Hobbygärtnern ebenso wie von Gärtnereien und Handelspartnern in aller Welt. Über 1.000 verschiedene Arten und Sorten, darunter mehr als 200 Eigenzüchtungen stehen heute im Sortiment.
 
Auch die Stellung von Firmenchef Niels Lund Chrestensen als Präsident der Erfurter Industrie- und Handelskammer, der einst auch ein Friedrich Benary vorstand, verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung des Gartenbaus bis auf den heutigen Tag. Mit Chrestensen und Kakteen-Haage verfügt Erfurt noch immer über zwei Gartenbauunternehmen von internationalem Ruf. Hier lebt der alte Mythos Blumenstadt jenseits von egapark, Fachhochschule oder Gartenbaumuseum weiter und wird buchstäblich Tag für Tag in die Welt hinaus getragen.




Siehe auch die Publikation '''[[Blumenstadt Erfurt|Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark]]''' (2011)
Siehe auch die Publikation '''[[Blumenstadt Erfurt|Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark]]''' (2011)

Version vom 22. Januar 2012, 10:02 Uhr

Blumenstadt Erfurt - Gartenbauunternehmen

Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (veröffentlicht 2007)


Mythos Blumenstadt (1): Erfurt beherrschte um 1900 den Weltmarkt in Sachen Gartenbau und Samenzucht

Erfurt möchte seinen verblassten Ruf als Blumenstadt wiederbeleben. Dabei richtet sich der Blick auch auf die historischen Wurzeln dieses Mythos. Sie liegen im 19. Jahrhundert, als die Gartenbauunternehmer der Stadt den Weltmarkt beherrschten.


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Die traditionsreiche Kunst- und Handelsgärtnerei reicht weit ins Mittelalter zurück. Im 19. Jahrhundert wurde sie aber ein die Wirtschaft und den Ruf der Stadt in besonderem Maße prägender Sektor. Verantwortlich hierfür waren Firmen wie Fr.Ad. Haage jun. (1822, „Kakteen-Haage“), J.C. Schmidt (1823, „Blumenschmidt“), Ernst Benary (1843), F.C. Heinemann (1848), Pabst & Neumann (1857), Haage & Schmidt (1863), N.L. Chrestensen (1867), Liebau & Co. (1892) und Stenger & Rotter (1896). Ihre Produkte erwarben „einen weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus reichenden Ruf“, so eine zeitgenössische Darstellung zur Geschichte des Gartenbaus. Der in dieser Zeit erworbene Beiname „Blumenstadt“ wurde durch große Gartenbauausstellungen seit 1865 gefestigt.

Von Erfurt gingen Innovationen wie der erstmalige Versandt von getrockneten Blumen (1853) und frischen Schnittblumen (1854, J.C. Schmidt) aus – gewissermaßen als Vorläufer des Fleurop-Systems. Die seit der Jahrhundertmitte aufkommende Verschickung von Sämereien in bunten Samentüten wurde zum Markenzeichen der Erfurter Gartenbaubetriebe, das schon 1862 rund 90% des Exports ausmachte. Eine weltweite Führungsstellung mit einem Katalog von rund 13.000 Samenarten errang sich die Firma Haage & Schmidt.

Die Blumenstadt war aber auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild deutlich zu erkennen. Viele Zeitgenossen schwärmten von den endlosen Blumenfelder rund um die Stadt und den riesigen Gartenbau- und Samenzuchtbetrieben. Man muss sich Erfurt als Insel in einem „Meer von berauschend duftenden, in allen Farben leuchtenden Blüten: Rosen und Feilchen, Reseden, Levkojen und Tulpen, Balsamienen“ vorstellen, wie es der Reiseschriftsteller Karl Emil Franzos um 1900 beschrieben hat.

Die Stadt war bestrebt, den Gartenbau als tragende Säule der Wirtschaft zu erhalten. So blieben große Teile des fruchtbaren Geländes im Norden und Westen den Gärtnern vorbehalten. Trotz Industrialisierung und hektischem Baugeschehen blieb das Gartengewerbe einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren. Neben den fest Beschäftigten arbeiteten hunderte von Saisonkräften in Erfurt. Allein Benary und Chrestensen stellten jedes Jahr rund 1000 von ihnen ein. Erfurt war die einzige deutsche Industriegroßstadt, in der laut Gewerbestatistik die Landwirtschaft einen Anteil von über 4% der Arbeiter ausmachte.

Ihre protektionistische Haltung gegenüber dem Gartenbau musste die Stadt freilich zumindest teilweise korrigieren. 1909 gab man, weit später als andere Großstädte, ein großes Gelände für neue Industrieansiedlungen nördlich von Ilversgehofen frei. Dieser Prozess der Zersiedelung durch Gewerbe- und Wohnbau im Umland hat bis heute angehalten. Gleichzeitig bedeuteten die beiden Weltkriege und die „Wende“ von 1989/90 Zäsuren, die die internationale Ausnahmestellung des Erfurter Gartenbaus untergruben.

Nun wird Erfurt heute weder die wirtschaftliche Weltgeltung noch die Idylle duftender Blumenfelder zurückholen können. Man kann aber versuchen, die großen Gartenbautraditionen in ein modernes Imagekonzept einzubinden. Mit egapark, Gartenbaumuseum, Fachhochschule und Gartenbauunternehmen wie Chrestensen und Haage stehen kompetente Partner bereit. Die vom Autor vorgeschlagene Grünanlage am Hirschgarten mit dem Denkmal des Gartenbau-Pioniers Christian Reichart wäre ein erster symbolischer Schritt.


> Gartenbauunternehmen Ernst Benary


> Gartenbauunternehmen F.C. Heinemann


> Gartenbauunternehmen J.C. Schmidt


> Gartenbauunehmen Haage


> Gartenbauunternehmen N.L. Chrestensen


Siehe auch die Publikation Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark (2011)