Aufbruch zu Luther

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Aufbruch zu Luther

Erfurt auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017

Im Luther-Doppeljahr 2010/11 wird die historische Erinnerungslandschaft in Erfurt deutlich an Profil gewinnen. Vor der Rekonstruktion stehen Luthers Universität und Studentenburse, der Wiederaufbau des Augustinerklosters kann abgeschlossen werden. Das Stadtmuseum bündelt in einer neuen Dauerausstellung die authentischen Orte auf musealer Ebene.


“Luther - Der Aufbruch”, so heißt das kulturelle Jahresthema der Stadt Erfurt 2010/11. Den Anlass bildet die Rom-Reise 1510/11, die den Augustinermönch an den Sitz des Papstes führte. Leider sollte aber erneut der Eindruck entstehen, Erfurt wisse mit seinem größten historischen Pfund nicht recht zu wuchern. Vor der Jahreswende verkündete Oberbürgermeister Andreas Bausewein die drohende Streichung des Kulturjahres, worauf der Stadtrat angesichts der Finanzmisere keine Mittel in den vorläufigen Haushalt einstellte. Mittlerweile scheinen zumindest die wichtigsten Veranstaltungen gesichert.

Dieser holprige Aufbruch zu Luther sollte allerdings nicht zu der Einschätzung verleiten, dass man sich in Erfurt nicht ernsthaft auf das Reformationsjubiläum 2017 vorbereite. Im bedeutendsten Erinnerungsort neben Wittenberg und der Wartburg sind Vorhaben angestoßen worden, die dessen Profil deutlich schärfen werden. So erlebt das 1945 zerstörte Hauptgebäude der Alten Universität (1379-1816), an der Luther von 1501 bis 1505 studierte, gerade seine Renaissance. Schon die heutige Universitätsgesellschaft hatte sich 1987 neben der Wiedergründung der Alma mater Erfordensis die Rekonstruktion des Collegium maius in der Michaelisstraße zum Ziel gesetzt. Eine Vision konnte sie mit der Universitätsneugründung 1994 realisieren. Allerdings wird diese nicht in ihr altes Hauptgebäude mit dem historischen Festsaal einziehen. 2008 verkaufte die Stadt Erfurt das 1999 bis zum Rohbau aufgeführte Collegium maius an die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die es bis 2011 zu ihrem Verwaltungssitz ausbaut.

Neben dem Herzstück des “lateinischen Viertels” zählt Luthers mutmaßliches “Studentenwohnheim”, die Georgenburse in der Augustinerstraße, zu den wichtigsten Erinnerungsstätten. In dem Gebäude soll bis zum Herbst 2010 eine Begegnungs- und Bildungsstätte mit ökumenischer Pilgerherberge entstehen, die Schlaglichter auf das Universitäts- und Studentenleben der Lutherzeit wirft sowie Raum für Veranstaltungen bietet. Die Initiative hierfür ging vom “Freundeskreis Georgenburse Erfurt” aus, zu dessen treibenden Kräften Augustinerkloster-Kurator Lothar Schmelz und Oberkirchenrat Dr. Thomas A. Seidel zählen.

Das Evangelische Augustinerkloster bietet seit Jahrzehnten als Rückgrat der Lutherstadt Erinnerungskultur auf internationalem Niveau. Hier gab der Jurastudent Luther, für den der Vater große Karrierepläne geschmiedet hatte, 1505 nach dem “Gewittererlebnis” bei Stotternheim seinem Leben mit dem Klostereintritt eine entscheidende Wendung. Bis 1511 sollte er in Erfurt um jene theologischen Einsichten ringen, die in Wittenberg zur Reformation reiften. Die renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte mit Ausstellung samt Lutherzelle und historischer Bibliothek wird bis 2017 umfassend saniert. Schon in diesem Jahr kann der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Gebäudeensembles mit modernen Akzenten abgeschlossen werden. Nach der 2008 erfolgten Einweihung der Waidhäuser steht die einstige Klosterbibliothek vor ihrer Fertigstellung.

Das Stadtmuseum “Haus zum Stockfisch” schließlich wird mit einer neuen Dauerausstellung Luthers Erfurter Zeit in den Kontext der pulsierenden Handels- und Kulturmetropole stellen. Als “Spinne im Netz” der Erinnerungslandschaft soll es zugleich auf die authentischen Orte wie Collegium maius, Georgenburse und Augustinerkloster verweisen. Die geplante Eröffnung am Reformationstag 2011 dürfte zu den highlights im Lutherdoppeljahr zählen.

Erfurt ist also auf gutem Wege, um sich 2017 der Welt als Stadt des Studenten, Magisters und jungen Mönches, des “werdenden Reformators” präsentieren zu können. Dennoch gilt es, die Chancen der “Lutherdekade” weiter zu nutzen. Bei der letzten großen Lutherehrung zum 500. Geburtstag 1983 zählte Erfurt neben der Wartburg, Wittenberg und Berlin zu den international wahrgenommenen Schwerpunkten. Dahinter sollte man nicht zurück fallen. Freilich muss die Stadt hierfür Luther hohe kulturpolitische Priorität einräumen, den Freistaat Thüringen zu intensiver Lobbyarbeit animieren und sich in den nationalen Gremien Geltung verschaffen.

Text: Steffen Raßloff: Luther macht munter. Erfurt hat sich auf den Weg zum Reformationsjubiläum gemacht. In: Kulturjournal Mittelthüringen 2/2010. S. 54.